Gegner ohne Abwehr

Die deutsche Fußballnationalmannschaft besiegt in Yokohama den schwachen Asienmeister Japan mit 3:0. Den Nachweis, ein echte Spitzenmannschaft zu sein, kann sie erneut nicht erbringen

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Die unglaubliche Reise des Jürgen Klinsmann ins Fußballglück geht weiter. Für seine Verhältnisse kurz angebunden war er nach dem Spiel, als ihm ein Reporter das Mikrofon unter die Nase hielt. Wieder einmal konnte der Bundestrainer schwärmen von seinem Team. „Unglaublich“ sei gewesen, was die Jungs geleistet haben. Wieder einmal war er unheimlich stolz. 3:0 hatte die deutsche Fußballnationalmannschaft gewonnen, ein weiterer Sieg auf dem Weg zum vierten WM-Titel für eine Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes.

Die Japaner gaben sich alle Mühe, den Deutschen den Spaß zu verderben. Doch er war schnell klar, dass es die Deutschen nicht gerade mit einer Spitzenmannschaft zu tun hatten. Die Mittel – gerade in der Defensive – waren doch sehr begrenzt. Die Japaner versuchten den jeweils ballführenden Spieler zu zweit zu attackieren. Oft genug aber konnte sich ein Deutscher bei diesem Spielchen durchsetzen. Der hatte dann jede Menge Platz und konnte dann eigentlich machen, was er wollte. Vor allem Michael Ballack ließ seine Gegenspieler reihenweise stehen. Wie ein germanischer Hüne baute er sich im Mittelfeld auf und ließ die im Vergleich zu ihm doch arg klein wirkenden Japaner regelrecht an sich abprallen. Als er zweimal hintereinander frei stehend im Strafraum scheiterte, rieben sich wahrscheinlich nicht wenige Betrachter verwundert die Augen. Solche Chancen hätte er früher nicht vergeben. Und so lag es eigentlich einzig an Michael Ballack, dass es zur Pause 0:0 stand. Denn der beste, besser der einzig wirklich gute Spieler der Deutschen in der ersten Hälfte sorgte mit seinen Fehlschüssen persönlich dafür, dass die Japaner nicht in Rückstand gerieten.

Vom Rest der Mannschaft war wenig zu sehen, Unglaubliches schon gar nicht. Tempofußball wurde höchstens in die Breite gespielt. Und in den letzten 15 Minuten der ersten Hälfte erarbeiteten sich die Japaner sogar ein Übergewicht im Mittelfeld. Was war los mit Deutschlands Wunderteam? Jürgen Klinsmann meinte nach dem Spiel, dass er in der Kabine darauf gedrängt habe, ein wenig schneller zu spielen. Das habe die Mannschaft dann getan, und so sei dann auch der Sieg zustande gekommen. Dann bemühte er noch die schwierigen Umstände der Reise in eine andere Zeitzone und die Unannehmlichkeiten eines Achtstundenfluges, um den Sieg noch ein wenig strahlender erscheinen zu lassen. In der Tat – der dreifache und frisch gebackene Asienmeister Japan wurde mit 3:0 besiegt. Dass der Titel Asienmeister alleine noch nicht viel sagt, wissen alle, die sich an das 8:0 der Deutschen bei der WM 2002 über Saudi-Arabien erinnern, den seinerzeit amtierenden Asienmeister. Und wer gesehen hat, wie leicht es die Japaner den Deutschen nach der Führung gemacht haben, fragt sich, warum die DFB-Elf nicht wieder mit 8:0 gewonnen hat. So viel Platz hatte eine deutsche Mannschaft selten in des Gegners Hälfte. „Unglaublich“ war also eher, dass die Japaner doch tatsächlich ihre Abwehr völlig aufgelöst haben, um zu einem Torerfolg zu kommen.

Natürlich war das 2:0 durch Michael Ballack eines der schönsten Tore, die der Kapitän für die Nationalmannschaft je geschossen hat. Er dürfte allerdings selbst am besten wissen, dass es normalerweise nicht einmal in einem Pokalspiel gegen eine unterklassige Mannschaft gelingt, zwei Abwehrspieler so ins Leere laufen zu lassen, als sei dies für den Werbespot eines seiner Sponsoren in Szene gesetzt worden. Dass die zwei Tore von Miroslav Klose glückliche Abstaubertreffer waren, sei hier nur am Rande vermerkt.

Die Debütanten in der Abwehr haben sicher ihr Bestes gegeben. Das war vor allem beim Bremer Christian Schulz ein paarmal zu wenig. Er hat sich nicht unbedingt empfehlen können. Patrick Owomojela, der Neuling aus Bielefeld, ging äußerst forsch zu Werke, sah dafür schnell die gelbe Karte und war im Spiel nach vorne nicht unbedingt eine Bereicherung. „Super“ hätten die zwei gespielt, lobte Klinsmann die Abwehrnovizen. Ob er mit ihnen Weltmeister werden kann, darf stark bezweifelt werden.

Klinsmann mag es ja gelingen, seinen Spielern zu vermitteln, sie seien spitze. Die Spieleraussagen lassen vermuten, dass seine Fußballer das auch wirklich glauben. Der Nachweis fehlt aber nach wie vor. Fußball mag ein gutes Geschäft sein in Japan und lohnend auch für die Bundesliga, ein Markt mit viel Potenzial. Aber all das steigert nicht den Wert eines Sieges gegen eine doch eher mäßige Nationalmannschaft.

Aber davon wird in den nächsten Tagen wenig die Rede sein. Das Schwärmen vom neuen deutschen Fußball wird eine weitere Fortsetzung finden. Und sollte die Mannschaft nun auch noch gegen die Spitzenteams aus Südkorea und Thailand gewinnen, dann werden rechtzeitig zu Weihnachten noch mehr Menschen daran glauben, dass mit Jürgen Klinsmann der Kickermessias auf den deutschen Fußball herniedergestiegen ist.

Japan: Narazaki - Kaji, Chano, Tanaka, Alex (83. Nishi) - Ogasawara, Inamoto (70. Endo), Fukunishi, Fujita (70. Miura) - Suzuki (46. Tamada), Takahara (70. Okubo)Deutschland: Kahn - Owomoyela, Mertesacker, Wörns, Schulz - Schneider (73. Borowski), Ballack, Ernst (77. Engelhardt), - Asamoah, Klose, Podolski (62. Schweinsteiger)Zuschauer: 61.805; Tore: 0:1 Klose (54.), 2:0 Ballack (69.), Klose (90.)